Der jüdische Friedhof „Hugo-Loersch-Straße“
Der älteste entzifferbare Grabstein auf dem Friedhof Ingelheim „Hugo-Loersch-Straße“. Er stammt aus dem Jahr 1842. Hier wurde Mosche, Sohn des Seligmann (der Krämer Jakob Kahn) begraben.
Zur Dokumentation siehe Epidat.
(Foto: M. Schlotterbeck)
Die Inschrift und ihre Übersetzung
Entstehung
Aus Urkunden geht hervor, dass der Kauf des Grundstücks nach 1836 erfolgte. Vorher wurden die Ingelheimer Juden auf dem Friedhof vor der Mauer der Kaiserpfalz in Nieder-Ingelheim begraben. Wahrscheinlich wurde dieser Platz zu klein (Meyer 1998, S. 534f.). Das letzte Begräbnis fand 1938 statt.
Lage: Zur Entstehungszeit lag der Friedhof außerhalb der Stadt. Erst später wuchsen die Ortsteile Ober-Ingelheim und Nieder-Ingelheim zusammen.
Größe: 1.031 qm. Es sind 143 Grabsteine erhalten, davon sind 20 Doppelgräber mit zwei oder mehr Personen.
Dieser Grabstein wurde für Frau Babette Stern, geb. Mayer gesetzt. Sie starb am 17. Juli 1892. Sie wurde am 23. Mai 1799 in Nieder-Ingelheim geboren. Sie war die Tochter des Viehhändlers Löb Maier/Leo Maier und Johanette, geb. Herrmann/ Handele aus Nieder-Ingelheim. Vor der Einführung der bürgerlichen Namen 1808 hieß sie Bele Maier. Sie war verheiratet mit dem Ellenwarenhändler Isaak Stern. Im Jahr 1838 lässt sich ihr Wohnsitz Im Saal nachweisen. In den Jahren 1852-1858 wohnte sie in Haus Nr. 308 in Nieder-Ingelheim. Ihr Sohn Leopold führte das Geschäft in der Mainzer Straße 78 weiter später ihre Enkelin Mathilde mit ihrem Mann Gustav Nussbaum (siehe Familie Nussbaum). Der Stern im Grabstein könnte auf den Familiennamen hinweisen.
Die Inschrift und ihre Übersetzung
Beerdigungsriten
Es gibt leider wenige Hinweise darauf, wie die Beerdigung in Ingelheim stattgefunden haben.
Es lässt sich nur Grundsätzliches zur jüdischen Beerdigung sagen. Es gab und gibt in den jüdischen Gemeinden eine Beerdigungsbruder- bzw. – schwesternschaft, welche die Aufgabe hat, die Kranken zu besuchen und den Sterbenden und ihren Angehörigen in der Todesstunde beizustehen und nach dem Tod für eine würdige Bestattung zu sorgen.
Die Toten werden nach einem genau vorgeschriebenen Ritus gewaschen. Es werden ihnen schlichte Totenkleider angelegt. Den Männern wird zusätzlich ihr Gebetsmantel um die Schultern gelegt, nachdem die Schaufäden abgerissen wurden. Die Schaufäden sollten zu Lebzeiten an die Einhaltung der Gebote erinnern.
Es ist am besten, in Jerusalem begraben zu werden. Denn laut einer Tradition wird der Messias in Jerusalem am Goldenen Tor des Tempels ankommen. Da dies nicht für alle Juden möglich ist, wird ihnen ein Säckchen mit Erde aus dem Land Israel unter den Kopf gelegt. Sie werden mit Blick nach Jerusalem begraben. In Deutschland werden die Toten in einen Sarg gelegt. In Israel besteht auch der Brauch, die Toten unmittelbar ins Grab zu legen.
Die Trauerfeier findet üblicherweise in der Trauerhalle statt. Der Rabbiner hält eine Trauerrede und der Sohn des Toten spricht das Totengebet (Kaddisch).
Auf dem Friedhof reißen die Angehörigen als Zeichen der Trauer ihre Kleidung ein. Danach wird der Tote zum Grab begleitet. Das ist eine religiöse Pflicht (Mizwa).
Danach trauern die Angehörigen sieben Tage um den Toten (Schiwa sitzen)
Mit dem Ende der Schiwa beginnt die 30tägige Trauerzeit vom Zeitpunkt der Beerdigung an gezählt. Für Vater und Mutter wird die Trauerzeit um weitere 30 Tage verlängert.
Am Jahrestag des Toten (Jahrzeit) besuchen die Hinterbliebenen die Synagoge und spre-chen das Totengebet und entzünden eine Kerze (Jahrzeitlicht). Bei der ersten Jahrzeit wird in der Regel der Grabstein gesetzt.
Siehe auch: Grübel, Judentum. Köln 1997; de Vries, Jüdische Riten und Symbole.
Beispiele von Grabsteinen auf dem Friedhof in der Hugo-Loersch-Straße
Grabstein von 1844 (pdf)
Grabstein von 1905 (pdf)