Familie Neumann

Zur Erinnerung an Karl und Lilly Neumann

Karl und Lilly Neumann vor ihrem Geschäft, der Weinhandlung Laufer, Ecke Bahnhofstraße/Taunusstraße (heute ehem. Möbelhaus Schwaab) Quelle: Meyer1998, S. 234
Karl und Lilly Neumann vor ihrem Geschäft, der Weinhandlung Laufer, Ecke Bahnhofstraße/Taunusstraße (ehem. Möbelhaus Schwaab)
Quelle: Meyer 1998, S. 234

Karl Neumann wurde am 4. Dezember 1872 in Stadecken als Sohn von Benedikt Neumann und Anna Maria, geb. Laufer geboren.
Am 29. Dezember 1904 heiratete er in Nieder-Ingelheim Luise (Lilly), geb. Mayer.
Lilly Neumann wurde am 29. August 1882 geboren. Sie war die Tochter von Ludwig Mayer und Bertha, geb. Neumann. Sie wohnten in der Mainzer Straße.

Das Ehepaar hatte drei Kinder:1. Walter Neumann (23.10.1905 – 20.05.1979), 2. Luise (Liesel, Lee), verh. Blumenthal( 24.01.1918 –  ca. 2002) und 3. Hans, Namensänderung in Harry Neuman (22.01.1920 – 12.12.2012).

Stolpersteine für Lilly und Karl Neumann, Bahnhofstr. 23

Karl Neumann war Weinhändler und wohnte in der Bahnhofstr. 23 im zweiten Stock bei  Thierbach zur Miete. Karl Neumann war mit seinem Bruder Moritz Mitinhaber der Weinhandlung Laufer & Co in der Bahnhofstr. 79, später Möbelhaus Schwaab, heute ein Wohnkomplex.

Laut Erzählungen seines Sohnes Hans/Harry Neuman begann gleich 1933 der Niedergang des Geschäfts, ausgelöst durch den Boykott: „Kauft nicht bei Juden“.  Zunächst war die Weinhandlung nicht so stark betroffen. Die Bestellungen wurden schriftlich aufgegeben. Dann machte es die nationalsozialistische Regierung zur Auflage, dass aus dem Briefkopf des Unternehmens hervorgehen musste, dass es jüdisch war. Der Umsatz ging zurück. Die Brüder Neumann verkauften am 29. September 1938 ihren Betrieb an den Möbelhändler Hans Schwaab.

Die Ingelheimer Zeitung vom 3. Oktober 1938 kommentiert den Verkauf folgendermaßen:

„Ober-Ingelheim. (Sie rücken ab….) Das Anwesen der Weinhandlung Laufer & Co., das sich im Besitz des Juden Neumann befand, ist in den Besitz eines arischen Kaufmannes übergegangen. Als Kaufpreis nennt man 24.000 Mark. Einer nach dem anderen rückt ab, sodaß der Zeitpunkt nicht mehr fern liegen wird, wo wir melden können: „Auch Ober-Ingelheim ist judenrein!“ Quelle: Stadtarchiv Ingelheim
„Ober-Ingelheim. (Sie rücken ab….) Das Anwesen der Weinhandlung Laufer & Co., das sich im Besitz des Juden Neumann befand, ist in den Besitz eines arischen Kaufmannes übergegangen. Als Kaufpreis nennt man 24.000 Mark. Einer nach dem anderen rückt ab, sodaß der Zeitpunkt nicht mehr fern liegen wird, wo wir melden können: „Auch Ober-Ingelheim ist judenrein!“
Quelle: Stadtarchiv Ingelheim

Der hessische Reichsstatthalter reduzierte diesen Betrag auf 20 000.- Reichsmark. Die Besitzer erhielten das Geld in der Regel nicht. Es wurde auf ein Sperrkonto eingezahlt und fiel an den Staat.

Während des Pogroms am 10. November 1938 wurde die Wohnung von Karl und Lilly Neumann verwüstet. Das Mobiliar wurde auf die Straße geworfen. Auch Karl Neumann wurde für 17 Tage ins KZ Buchenwald verschleppt. Er wusste nicht, dass auch sein Sohn Hans dort gefangen gehalten wurde.

Die Familie verließ Ingelheim und bezog eine Wohnung in Wiesbaden, Rheingaustraße 5 (heute Marcobrunnstraße). Die Eintragung im Einwohnermeldeamt Ingelheim lautet: am 12. Dezember 1938 nach Wiesbaden abgemeldet.

Die Tochter Luise (Lee) erklärte 1961, dass auch ihre Eltern mit einem Einreisevisum für die USA gerechnet hatten, aber die Ausstellung der Bürgschaftspapiere zog sich in die Länge. Im Juni 1940 lagen alle notwendigen Bescheinigungen für die Auswanderung vor. Möbel und Hausrat waren für den Weitertransport in die USA in ein Lagerhaus nach Lissabon gesandt worden. Als dann die Lagergebühren nicht mehr bezahlt werden konnten, wurden die Möbel dort versteigert.

Karl und Lilly Neumann wurden am 1. September 1942 mit dem Transport Nr. XII/2 von Frankfurt aus nach Theresienstadt deportiert. Dort wurden für Karl Neumann der 7. März 1943 und Lilly der 10. April 1944 als Todestag verzeichnet. Karl wurde 70 Jahre alt, seine Frau Lilly 61 Jahre.

Die Kinder

Die Kinder schafften es, Deutschland  rechtzeitig zu verlassen. Sie hatten das Glück, dass sich in Amerika eine Tante befand. Sie übernahm die Bürgschaft. So erhielten sie ein Visum.

Walter Neumann musste schon nach der Machtübernahme 1933 Deutschland verlassen, da er nicht nur Jude, sondern auch Kommunist war (siehe den Beitrag seines Sohnes Hans Neumann: „Mein Vater in den Kämpfen seiner Zeit – Das Leben des Walter Neumann“ im Buch von Hans-Georg Meyer, Karoline Klausing 2011:  Freudige Gefolgschaft und bedingungslose Einordnung …? Der Nationalsozialismus in Ingelheim. Leinpfad-Verlag).

Auch Liesel Neumann emigrierte rechtzeitig. Sie heiratete 1937 in Chicago, USA.

Hans Neumann (später in den USA nannte er sich Harry Newman) wohnte bis 1938 bei seinen Eltern. Er wurde nach der Pogromnacht am 10. November 1938 am Bahnhof in Wiesbaden von der Geheimen Staatspolizei aufgegriffen und ins Konzentrationslager  Buchenwald verschleppt und war vom 13.11. – 26.11. 1938 inhaftiert. Nach seiner Entlassung am 26. November 1938 gelang ihm am 17. Januar 1939 die Emigration in die USA. Er heiratete 1954 seine Frau Miriam in Chicago. Sie bekamen zwei Söhne und drei Enkelkinder. Viele Familienmitglieder besuchten Ingelheim während der Begegnungswochen 1998 und 2008.

Harry Newman berichtete darüber während seines Besuches im November 2008 vor Realschülern:

„Die Realschüler, von denen sich einige im Rahmen eines Projekts intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatten, verfolgten gespannt die Schilderungen des 88-Jährigen. Vor allem als Neuman berichtet, wie er im November 1938 die Übergriffe auf jüdisches Eigentum erlebt hat, herrscht gebannte Stille. Neuman erklärt den Schülern, dass die Zerstörungen in Ingelheim nicht in der eigentlichen Reichspogromnacht, sondern erst am 10. November stattfanden. Am helllichten Tag fielen jüdische Geschäfte, Wohnungen und auch die Synagoge dem nationalsozialistischen Rassenwahn zum Opfer. ‚Der Tag fing an wie jeder andere‘, erinnert sich Neumann, als wäre es gestern gewesen. Um viertel nach fünf habe der Wecker geklingelt, um 5.59 Uhr habe er am Bahnhof den Zug genommen und sei zur Arbeit nach Wiesbaden gefahren. Dort machte der 18-Jährige gerade eine Schlosserlehre. Als er am Abend nach Ingelheim zurückkehrte, bot sich ihm ein Bild der Verwüstung. Die Wohnung in der Bahnhofstraße 23 war völlig leer, das komplette Inventar lag im Hof.
NS-Schergen hatten alles kurz und klein geschlagen. Nur einige Tage später, erzählt Hans Neumann, wurde er von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald geschafft. Nach zwei Wochen entließ man ihn wieder aus dem Lager. Warum man ihn freigelassen habe, will eine Schülerin wissen. ‚Die Nazis wollten die Juden dazu bringen, Deutschland zu verlassen‘, antwortet der 88-Jährige. Genau dies tat Neuman nur wenige Monate später. Nachdem er sein Visum bekommen hatte, bestieg er am 17. Januar 1939 ein Schiff, das ihn nach New York bringen sollte.
Seine Eltern musste er in Ingelheim zurücklassen. Zwar hofften auch sie auf ein
Visum für Amerika, doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Karl und Lilly Neumann wurden 1942 nach Theresienstadt verschleppt und ermordet. ‚Bis heute weiß ich nicht, wo meine Eltern begraben sind‘, berichtet Hans Neuman den Schülern. Ohne Groll und ohne Bitterkeit spricht der 88-Jährige selbst von den schlimmsten Kapiteln seiner Geschichte. Von den jungen Menschen, die er hier getroffen hat, erhofft er sich vor allem eines: ‚dass man so etwas nie wieder zulässt‘.

(zitiert nach Beate Schwenk in der AZ-Ingelheim vom 12.November 2008)

Zeitzeugenaussage: Neumann Hans Pogromnacht Ingelheim

Eine Powerpointpräsentation kann unter Kontakte angefordert werden. Sie darf gerne für pädagogische Zwecke eingesetzt werden.

Schülerinnen und Schüler der Kaiserpfalz Realschule plus erinnern 2008 an Lilly und Karl Neumann. Unter den Teilnehmern ist Harry Neuman.

2008 wurden die Stolpersteine für Karl und Lilly Neumann vor ihrem letzten Ingelheimer Wohnsitz ins Straßenpflaster gesetzt. Es war ein bewegender Moment, als der Sohn Harry Neuman seinen Kindern und Enkeln seine Geschichte vor der Wohnstätte seiner Kindheit erzählte.

In einem Zeitzeugengespräch 2008 sagte Harry Neuman:  „Ich komme hierher, um jene zu unterstützen, die Unrecht sehen und dagegen protestieren. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern – aber die Zukunft. Ich habe zwar als Einzelner nur einen kleinen Einfluss. Aber wenn genügend Menschen gegen das Unrecht aufbegehren, dann werden sie gehört. Unrecht beginnt immer auf eine etwas andere Weise. Deswegen müssen wir dafür sensibel werden, wenn es geschieht. Denn die Folgen sind immer die gleichen. Und wenn wir nichts dagegen tun, dann werden auch unsere eigenen Familien davon betroffen.“
Quellen: Meyer, 1998
Erinnerungsblatt Museum Spiegelgasse, Wiesbaden
Zeitzeugenaussagen von Harry Neuman

Zur Erinnerung an Moritz und Hedwig Neumann

Stolpersteine für Moritz und Hedwig Neumann, Bahnhofstr. 79

Moritz Neumann wurde am 21. Oktober 1878 in Stadecken als Sohn von Benedikt Neumann und Anna Maria, geb. Laufer, geboren. Am 16. Januar 1883 heiratete er in Offenbach am Glan Hedwig, geb. Roos, Tochter des Pferdehändlers Ferdinand Roos und seiner Frau Babette.

Das Ehepaar hatte zwei Kinder. Beide Kinder konnten Deutschland rechtzeitig verlassen. Anna wurde am 18. Juni 1909 geboren. Sie emigrierte 1936 zunächst in das britische Mandatsgebiet Palästina und später in die USA. Dort heiratete sie 1941 Karl Kaufmann. Die zweite Tochter, Gerta, wurde am Januar 1913 geboren. Sie emigrierte nach Nahalal ins britische Mandatsgebiet Palästina (Abmeldedatum in Ingelheim am 30. März 1936). Dort hat sie geheiratet, wurde Mutter von drei Kindern und hatte zwölf Enkelkinder.

Moritz Neumann war Weinhändler. Zusammen mit seinem Bruder Moritz betrieb er die Weinhandlung Laufer&Co in der Bahnhofstr. 79, heute Möbelhaus Schwaab. Dort wohnte er auch.

Laut Erzählungen des Neffen Harry Neuman begann gleich 1933 der Niedergang des Geschäfts, ausgelöst durch den Boykott: „Kauft nicht bei Juden“. Zunächst war die Weinhandlung nicht so stark betroffen. Die Bestellungen wurden schriftlich aufgegeben. Dann machte es die nationalsozialistische Regierung zur Auflage, dass aus dem Briefkopf des Unternehmens hervorgehen musste, dass es jüdisch war. Der Umsatz ging zurück. Die Brüder entschlossen sich zu verkaufen. Angesichts der Umstände war deutlich, dass das Geschäft unter Wert veräußert werden musste (siehe auch unter Karl Neumann, oben).

 
Moritz und Hedwig Neumann Die Aufnahmen stammen von der Tochter Anna, verh. Kaufmann, die in die USA emigrieren konnte. Sie hatte die Fotos ihrer Eltern bis zu ihrem Tod 2002 aufgestellt. Quelle: Milton Kaufman 2012
Moritz und Hedwig Neumann
Die Aufnahmen stammen von der Tochter Anna, verh. Kaufmann, die in die USA emigrieren konnte. Sie hatte die Fotos ihrer Eltern bis zu ihrem Tod 2002 aufgestellt.
Quelle: Milton Kaufman 2012

Moritz und Hedwig Neumann meldeten sich nach dem Verkauf des Geschäfts zum 29. Oktober 1938 nach Wiesbaden ab und zogen dort in die Herderstraße 21 in den 2. Stock und später zwangsweise in die Martinstalerstr. 2. Die Kinder waren im Ausland in Sicherheit. Auch die Eltern planten die Auswanderung, schafften sie aber nicht mehr. Sie wurden am 10. Juni 1942 ab Wiesbaden und am 11. Juni 1942 von Frankfurt aus in nach Lublin deportiert und wahrscheinlich im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Ihr Todeszeitpunkt ist unbekannt.

Die Weinhandlung Neumann nach dem Verkauf 1938. Die Schilder sind bereits abmontiert. Quelle: Archiv Weiland
Die Weinhandlung Neumann nach dem Verkauf 1938. Die Schilder sind bereits abmontiert.
Quelle: Archiv Weiland
Verlegung der Stolpersteine unter Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern des Sebastian-Münster-Gymnasiums unter Leitung von Susanne Schwark.

Nachruf auf (Hanns) Harold Neumann – Towson, Maryland

Harold Neumann mit Schülerinnen des SMG 2008 beim Besuch der Gräber von Familienangehörigen auf dem Friedhof in der Hugo-Loersch-Straße
Foto: DIF

Der letzte Zeitzeuge der jüdischen Neumann-Familie aus Ingelheim ist im hohen Alter von 96 Jahren, am 09. November 2017, in den frühen Abendstunden, verstorben. Er war der letzte aus der Dynastie der Neumann-Brüder, gebürtig aus Stadecken, später Ingelheim. Es gehörten dazu die Weinhändler Karl und Moritz Neumann mit ihren Kindern Walter, Bertha (Lee), Hans (Harry), Anna und Gerta (Gerti). Beide Eltern kamen in Konzentrationslagern um.

Rechtsanwalt Otto Eduard Neumann war der jüngste der Neumann-Brüder, er wurde der Öffentlichkeit bekannt auf Grund seiner Tätigkeit beim sog. Thyssen-Prozess in Mainz in den Zwanziger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Er wohnte vor dem Umzug nach Mainz in der Altegasse in Ober-Ingelheim. Sein Sohn Hanns, später Harold, wurde am 17. März 1921 in Mainz geboren. Im Alter von 18 Jahren floh er mit den Eltern vor den deutschen Nazis in die USA. Mit 20 trat er in den Betrieb seines Vaters ein, der in Howell/New Jersey (dem Eierkorb Amerikas) Land gekauft und darauf eine Farm hatte errichten lassen. Der einst angesehene RA blieb bis 1955 in der Geflügel- bzw. Eierbranche tätig, Sohn Harold bis 1963. Letzterer hatte 1949 die Tochter des Nachbarfarmers Schindler, Ruth, geheiratet, beide bewirtschafteten die Farm der Neumanns.

Mit 38 Jahren, im Jahre 1959, entschloss sich Harold noch einmal die Studienbank zu drücken, um Fremdsprachenlehrer zu werden. Seine Frau Ruth hatte zwischenzeitlich ebenfalls studiert, Journalismus, Englisch und Spanisch. Sie schrieb für die Lokalzeitung, arbeitete als Grundschullehrerin und absolvierte nebenher 1966 am Newark State College die Magisterprüfung für den akademischen Verwaltungsdienst. Bis 1989 war sie als Unterrichtsinspektorin, vorübergehend als Schulleiterin in Howell tätig. So waren aus den „Hühnerzüchtern“ Akademiker geworden.

Dies alles erfuhr ich ab 1996, damals besuchte ich mit meiner Frau die USA, um persönlichen Kontakt zu ehemaligen Ingelheimer Juden aufzunehmen. Mit Harold und Ruth trafen wir uns in New York und besonders Harold beeindruckte mich mit seiner Menschenfreundlichkeit sehr. Seine Neugierde auf das, was Ingelheim betraf und seine Aufgeschlossenheit, sie waren sprichwörtlich. Er hatte keinerlei Bedenken, eine Einladung nach Ingelheim anzunehmen, erzählte von seiner Zeit dort, von den gemeinsamen Treffen der Neumann-Familien, von der Kindheit in Rheinhessen. Im September 1998 besuchten er und seine Frau, mit weiteren 11 ehemaligen Juden und ihren Angehörigen, zum ersten Mal die frühere Heimat seines Vaters, Ingelheim.

Es war für alle Beteiligten, Gastgeber und Gäste, ein unvergessliches Erlebnis. Zum Abschied war seine Rede sicher die beeindruckendste des Abends. So sagte er u. a.: „Für all das danken wir Euch, liebe Ingelheimer Gastgeber. Ihr habt uns durch Eure herzliche Aufnahme und die vielen Zeichen Eurer Freundschaft die verschlossene Tür geöffnet und bewiesen, dass die Worte „You can’t go home again“ nicht stimmen, denn wir fühlen uns wieder hier zu Hause.“

Die Begegnung war nachhaltig, schon im Oktober schrieb mir Harold u. a.: „… Wir sprechen noch täglich davon, nicht nur im Kreis der Familie, sondern auch mit unseren Freunden, die sich alle enorm dafür interessieren. Für Anfang November wurde ich von einer jüdischen Organisation gebeten, über unsere Erlebnisse und Eindrücke zu berichten, was sehr leicht ist, denn wir haben ja so viele unvergessliche, positive Erinnerungen. Ich bin immer noch dabei, Dein hoch interessantes Buch, lieber Hans-Georg, zu lesen – mit der Gründlichkeit und Sorgfalt, die es verdient, um dem Inhalt gerecht zu werden. Ich stoße dabei dauernd auf alte, vergessen geglaubte Namen und Ereignisse, wie auch Dinge, selbst meine eigene Familie betreffend, die mir noch nie bekannt waren.“

Im Jahre 2004 trafen wir uns mit seinem Cousin (Hans) Harry Neumann und dessen Frau Miriam in Toms River zu einem angenehmen Austausch und als ich ihm im Juni 2007 schrieb, dass wir die „Ehemaligen“ wieder nach Ingelheim einladen wollen, schrieb er mir zurück: „Welch freudige Überraschung, unsre E-Mail zu öffnen und Deine Einladung nach Ingelheim zu finden. Empfange unseren herzlichsten Dank. Wir kommen sehr gern, und ‚Mer freie uns!‘ Es bedeutet uns so viel, nicht nur den 70. Jahrestag der Kristallnacht zu begehen, sondern dazu noch in Ingelheim, wo wir so manchen Feiertagsgottesdienst in Herrn Langstädters Gottesdienst feierten.“ Ein Jahr später waren er, seine Frau Ruth und Sohn Ronald mit Ehefrau Jane in Ingelheim beim zweiten Treffen der Ehemaligen dabei.

Schriftlich blieben wir verbunden und immer wieder schrieb er über Erinnerungen an seine Kindheit in Ingelheim und über die Besuche hier, besonders an den ersten 1998. So schrieb er 2010 und 2013: „Vor zwölf Jahren um diese Zeit waren wir in Ingelheim, ein Aufenthalt, der uns durch Eure große Gastfreundschaft unvergesslich geworden ist. Oft durchblättern wir das Buch Ingelheim erinnert sich, das schöne Erinnerungen daran erweckt.“ Und: „Ich habe noch lebhafte Kindheitserinnerungen an Spaziergänge auf die Waldeck beim Besuch meiner Großeltern zu dieser Zeit und etwas später während der Laubfärbung … Andere unvergessliche Erinnerungen erscheinen in Deinem kolossal umfang- und inhaltreichen Buch Sie sind mitten unter uns, das zu den wichtigsten Werken unserer Bibliothek gehört.“

Mit Harold Neumann verliert der Deutsch-Israelische Freundeskreis Ingelheim den letzten Ingelheimer Zeitzeugen und was noch wichtiger ist, einen guten Freund. Alte Erinnerungen auszutauschen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, auch dies hat uns mit Harold Neumann verbunden. Er wird uns noch lange in Erinnerung bleiben. Heute ist Harold beerdigt worden, meine Gedanken sind bei seiner Frau Ruth und den Kindern Ron und Barbara mit ihren Familien. Seiner Witwe Ruth habe ich telefonisch das Beileid des DIF Ingelheim übermittelt.

Der Ehrenvorsitzende des DIF, Hans-Georg Meyer, schrieb dankenswerterweise den Nachruf.

siehe auch AZ vom 17. November 2017

https://dif-ingelheim.de/

Stolpersteine